4. Juni 2025

Haushalt und Javelin-Park waren Themen beim Regionalforum

Mittlerer Niederrhein/ Kreis Viersen. „Sie werden Tränen in die Augen bekommen.“ Mit diesen Worten hat Thomas Heil seine Zuhörer auf seinen Vortrag vorbereitet. Der Kämmerer des Kreises Viersen war einer der Referenten des Regionalforums Kreis Viersen, zu dem die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein unter dem Titel „Die Wirtschaftliche Entwicklung des Kreises Viersen“ eingeladen hatte. „Im Vorfeld der Kommunalwahlen im Herbst lohnt sich der Blick auf die wirtschaftlichen Spielräume und Herausforderungen, vor denen wir im Kreis Viersen stehen“, sagte Rainer Höppner, IHK-Vizepräsident und Sprecher des Regionalforums. „Deshalb schauen wir auf die finanzielle Lage des Kreises und auf das Projekt Javelin-Park, das wirtschaftliche Impulse im Kreis setzen kann, die wiederum den Finanzen zugutekämen.“

Wer die Ansage des Kämmerers auf die leichte Schulter genommen hatte, wurde in den folgenden 60 Minuten eines Besseren belehrt. „Die Lage ist bitterernst“, erklärte Heil. „Bundesweit wird uns ein Null-Wachstum prophezeit, so dass wir aufpassen müssen, dass Deutschland nicht den Anschluss verliert.“ Diese schlechte konjunkturelle Entwicklung habe natürlich „massive Auswirkungen“ auf die kommunalen Finanzen. „Selbst die kommunale Selbstverwaltung gerät in Gefahr“, betonte Heil und verdeutlichte die bedrohliche Entwicklung anhand von Zahlen: Insgesamt verzeichneten die Kommunen in Deutschland im vergangenen Jahr einen Fehlbetrag von 24 Milliarden Euro (2023: 6 Milliarden Euro). „Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung“, sagte der Kämmerer. NRW ist Spitzenreiter: Dort ist die kommunale Verschuldung von einem auf das andere Jahr um 13 Prozent gestiegen. Von den 396 Städten und 31 Kreisen in NRW haben nur 15 einen ausgeglichenen Haushalt. „Somit verzehren die Kommunen ihr Eigenkapital, um die Fehlbeträge auszugleichen.“

Der Kreishaushalt weist für das laufende Jahr einen Fehlbetrag von 40 Millionen Euro aus, nach 30 Millionen im vergangenen Jahr. „Würden wir den Fehlbetrag an die kreisangehörigen Kommunen weitergeben, müssten wir die Kreisumlage um 7,5 Prozentpunkte erhöhen. Aber auch die neun Kreiskommunen stehen schlecht da: Keine hat einen ausgeglichenen Haushalt, eine von ihnen ist im Haushaltssicherungskonzept. „Das Problem ist, dass die Steuereinnahmen nur moderat wachsen, die Aufwendungen aber in die Höhe schnellen“, erklärte Heil. Deren größter Teil machen mit 400 Millionen Euro die Kosten im Sozialbereich aus. Anhand von drei Hilfe-Arten und der Landschaftsumlage verdeutlichte der Kämmerer die Kostensteigerungen um 70 Prozent in den vergangenen zehn Jahren. „Und auch für das Jahr 2026 haben wir kein gutes Gefühl. Es ist nicht erkennbar, dass wir dann plötzlich Überschüsse haben werden.“

Die Frage, wie man aus dieser Misere rauskommen könnte, beantwortet Heil unter anderem mit folgenden Forderungen: Das bestehende Sozialleistungssystem muss grundlegend überarbeitet werden, Kommunen benötigen von Bund und Land eine auskömmliche Finanzierung, der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer muss erhöht werden und das Konnexitätsprinzip, nach dem derjenige die Kosten übernimmt, der die jeweilige Aufgabe beschlossen hat, muss realisiert werden. Gleichzeitig gab der Kämmerer aber auch zu bedenken: „Würden Bund und Land den Forderungen nachkommen, müssten sie auf Geld verzichten.“ Und auch deren Haushalte seien bekanntermaßen alles andere als gesund. „Ich kann Ihnen also keine Lösung präsentieren. Zumindest habe ich die Hoffnung, dass sich in Niederkrüchten-Elmpt etwas tut. Das würde dem gesamten Kreis richtig gut tun“, erklärte er mit Blick auf das zweite Thema des Abends.

Aber auch André Banschus‘ Bericht über die Entwicklung des Javelin-Parks führte nicht nur zu Freudentränen. „Eigentlich hätten die Erschließungsarbeiten jetzt beginnen sollen“, erklärte der Geschäftsführer des Projektentwicklers Verdion. Aber das Oberverwaltungsgericht Münster habe nach einem Eilantrag den Bebauungsplan vorläufig außer Vollzug gesetzt. „Derzeit können wir nicht sagen, wie lange das Gericht braucht, um die Unterlagen zu prüfen. Aber wir hoffen, dass wir schnell eine positive Rückmeldung bekommen.“ Man wolle den Zeitplan unbedingt einhalten. „Ansonsten könnten Interessenten womöglich abwandern.“

In den kommenden zehn bis 15 Jahren möchte Verdion auf 650.000 Quadratmetern des 58 Hektar großen Geländes maßgeschneiderte Gebäude für bonitätsstarke Unternehmen unter anderem aus den Bereichen Produktion, Pharma, Forschung und E-Commerce entwickeln. „Mit einem Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie sind wir bereits im Gespräch“, sagte Banschus. Geplant sind außerdem ein Autohof und ein eigener Autobahnanschluss. „Nachhaltigkeit ist bei der Entwicklung des Parks ein zentrales Thema.“ Das gesamte Investitionsvolumen liegt bei 1,04 Milliarden Euro. Finanzierungspartner ist eine kanadische Rentenversicherung. Während die Versicherung Eigentümerin der Gebäude sein wird, wird Verdion den Gewerbepark betreuen. Gebaut wird allerdings erst, wenn der jeweilige Nutzer feststeht. „Wir rechnen mit 5.000 direkten Arbeitsplätzen“, erklärt Banschus. Als Alleinstellungsmarkmal bezeichnet der Geschäftsführer die Größe der zusammenhängenden Fläche und die mögliche Bauhöhe. Darüber hinaus sei die Lage an der niederländischen Grenze und die Nähe zum Flughafen, zu den Häfen Duisburg, Rotterdam und Antwerpen sowie den Städten Köln und Düsseldorf ein sehr wichtiger Standortfaktor.

Höppner bedankte sich bei den beiden Referenten für die – wenn auch mitunter nachdenklich stimmenden – Informationen und Einblicke. „Wir drücken die Daumen, dass die Hürden für den Javelin-Park schnell überwunden werden können, so dass das für die Region so wichtige Projekt weiter vorangeht.“

Quelle: IHK Mittlerer Niederrhein

Gregor Werkle (Bereichsleiter Wirtschaftspolitik bei der IHK Mittlerer Niederrhein, l.) und Rainer Höppner (IHK-Vizepräsident und Sprecher des Forums, r.) begrüßten die beiden Referenten Thomas Heil (Kämmerer des Kreises Viersen 2.v.l.) und André Banschus (Geschäftsführer des Projektentwicklers Verdion) zum Regionalforum Kreis Viersen. | Foto: IHK Mittlerer Niederrhein