Krefeld. Am Krefelder Rheinufer wird eine seit Jahrzehnten gehegte städtebauliche Vision Wirklichkeit: Das Projekt „Rheinblick“ nimmt Gestalt an. Oberbürgermeister Frank Meyer wurde angesichts dieses späten Durchbruchs fast ein wenig sentimental: „Ich bin hier groß geworden und habe von klein auf gelernt, dass der Rhein Teil dieser Stadt ist – auch wenn das nicht immer jedem bewusst war“, sagte er bei einer Pressekonferenz mit den Investoren nahe am Ort des Geschehens, im Biergarten der Rhine Side. „Es gab zum Glück Leute, die trotz aller Hürden die Hoffnung nie aufgegeben haben. Auch politisch und planerisch haben die Verantwortlichen hier alles getan, um die schwierige Situation zu lösen. Gemeinsam haben wir einen Weg gesucht und gefunden.“
Im Ergebnis soll auf fast zwei Kilometern Flussufer, wo bislang Industriebrache war, eine komplett neue Bebauung entstehen. Rund 200 Millionen Euro private Investitionen fließen in das Vorhaben, hinzu kommen umfangreiche öffentliche Gelder zur Umgestaltung des Umfelds. „Über Jahrzehnte hat Krefeld das Potenzial dieses traumhaften Areals links liegen lassen: Nun kommt die Entwicklung mit Wucht“, betont Frank Meyer. „Denn das Engagement der Rheinblick-Investoren geht Hand in Hand mit vielen städtischen Maßnahmen, die Uerdingens Ortskern stärken und umgestalten. Uerdingen mit seiner Altstadt und der Rheinlage war schon immer ein Versprechen – jetzt lösen wir dieses Versprechen endlich ein.“
Die Baugenehmigungen für die ersten beiden Projekte sind erteilt, die Arbeiten haben begonnen. Am weitesten fortgeschritten ist das Vorhaben ganz im Süden der Fläche, zwischen Zollhof und Unterem Werft. Dort baut die Dr. Schmitter Gmbh & Co. Projektbau KG einen vier- bis achtgeschossigen Komplex mit „fließender“ Architektur, 43 Wohneinheiten und einer Gesamtfläche von 7.000 Quadratmetern.
Weitere 1.000 Quadratmeter stehen für Gewerbe zur Verfügung. Unter dem Gebäude befindet sich eine Tiefgarage. „Wir haben etwa die Hälfte bereits verkauft und notariell beurkundet“, sagt Ulrich Schmitter, der selbst gebürtiger Uerdinger ist. „Mich hat über Jahrzehnte gestört, dass Krefeld zwar am Rhein liegt, aber nichts daraus macht“. Das wird sich nun ändern – bis Ende 2026 soll das gesamte Bauvorhaben vollendet sein.
Auch nördlich des Zollhofs haben die Erdarbeiten bereits begonnen. Die Quartier Rheinblick KG, ein Gemeinschaftsprojekt der First Retail Consult GmbH (Bielefeld) und der Hanseatic Development GmbH (Hildesheim), baut drei große Wohnriegel mit 199 Mietwohnungen, die alle einen Blick auf den Rhein bieten sollen. Auch hier entsteht zunächst eine Tiefgarage. „Wir bringen 35 Jahre Erfahrung in diesem Sektor mit“, betont Lutz Remmert von First Retail. „Es hat uns immer schon gereizt, ein Projekt direkt am Wasser umzusetzen.“ Zwei der drei Gebäude seien bereits an eine Pensionskasse verkauft, berichtet Remmert. Bis 2027 sollen die Bauten fertig sein.
Spannend wird es nördlich der Wohnbebauung, auf einem Areal, das sich ebenfalls im Besitz der First Retail befindet. Dort gibt es nun erste Gestaltungsvorschläge für einen öffentlichen Platz mit großer Freitreppe zum Rhein, ein Hotel mit großzügiger Außenterrasse und weitere Gewerbenutzungen. Man sei mit Hotelbetreibern und weiteren potenziellen Nutzern im Gespräch, so Lutz Remmert. Die prominente Lage am Rhein sei dafür ein gutes Argument, ebenso wie der Standort im Ballungsraum nahe am Flughafen und an der Düsseldorfer Messe. Auch für das Areal nördlich der denkmalgeschützten Villa Müncker und dem sie umgebenden Park gibt es bereits Entwürfe: Sie zeigen zwei gläserne Bürotürme neben einer denkmalgeschützten Halle, die den früheren Industrielook des Areals bewahrt. Das Projekt läuft unter dem Titel „Bürofenster“ und rundet Rheinblick nach Norden hin ab.
Die Neugestaltung des Ufers durch private Investoren wird durch zahlreiche städtische Maßnahmen umrahmt und begleitet, wie Bau- und Planungsdezernent Marcus Beyer erklärt. So wird nach der bereits erfolgten Sanierung des Deichs und der Rheinpromenade auch die dahinterliegende Kronenstraße umgestaltet. Des Weiteren sollen die Nebengassen und die Alte Krefelder Straße fußgängerfreundlicher und städtebaulich attraktiver werden. Am historischen Marktplatz läuft die Sanierung der Herberzhäuser, wo ein Quartierszentrum mit Bücherei und weiterer kultureller Nutzung entsteht. „Die Kräne am Rhein zeigen deutlich, dass hier aus Planrecht Lebensraum und Attraktivität entstehen“, sagt Marcus Beyer. „Nach Abschluss der Arbeiten planen wir noch die Umgestaltung des Werftgeländes.“ Ein Wettbewerb hat dafür bereits Entwürfe geliefert.
Aktuell wird das Werftgelände schon im neunten Jahr mit der „Rhine Side“ belebt: Das Projekt ist eine Art Wegbereiter für die nun folgende Umgestaltung. „Wir arbeiten weniger mit Planern und Juristen, dafür mit Emotionen“, sagt Claire Neidhardt, Leiterin des Stadtmarketings. „Anfangs gab es hier nur eine Brachfläche mit Schutt und Wildwuchs. Jetzt ist dank des Engagements vieler Akteurinnen und Akteure ein fester Anziehungspunkt für die ganze Region entstanden.“ Auch für den Oberbürgermeister ist die „Rhine Side“ zu „einem dieser ganz besonderen Orte geworden, die nur entstehen, wenn sich besondere Menschen gemeinsam engagieren“.
Dieses Lob geht auch an den Uerdinger Kaufmannsbund, der von Anfang an als Partner des Projekts bereitstand. „Es wird ja oft geschimpft, Deutschland sei zu bürokratisch“, sagt dessen Vorsitzender Uwe Rutkowski. „Aber hier läuft es ganz unproblematisch. Wir machen einfach.“ Durch die Bauprojekte des Rheinblicks war zwar im vergangenen Jahr ein Umzug des Biergartens notwendig, aber auch das neue Areal zwischen Rheintor und Steiger werde gut angenommen. Die geplante Bebauung sei „ein sehr guter Impuls für Uerdingen“, betont Uwe Rutkowski: „Wir freuen uns schon darauf, wenn alles fertig ist.“
Bereits seit den 1990er-Jahren gab es in Krefeld den Plan, die Industriebrache am Rheinufer mit einer attraktiven Bebauung umzugestalten. Nachdem Anfang der 2000er-Jahre ein Satzungsbeschluss inklusive Beteiligungsverfahren für ungültig erklärt worden war, wurde seit September 2011 mit dem B-Plan Nr. 772 ein neuer Satzungsbeschluss an gleicher Stelle vorbereitet. Insgesamt gab es drei Offenlagen, deren Bearbeitung aufgrund der Komplexität des Plangebiets viel Zeit in Anspruch nahm. Knackpunkte waren dabei unter anderem die Nähe zur Industrie und der Hochwasserschutz. Am 28. Februar 2023 fasste der Rat den Satzungsbeschluss zum Rheinblick: Grundlage waren mehr als 800 Seiten Gutachten.
Bereits Jahre zuvor hatte das lange brachliegende Areal am Fluss eine Belebung erfahren. Mit der „Rhine Side Gallery“, einem Street-Art-Projekt des Stadtmarketings, begann 2017 die Erfolgsgeschichte der Rhine Side: Rund um die Kunstwerke entwickelte sich ein beliebter Biergarten auf Sand, betrieben vom Uerdinger Kaufmannsbund. Ab 2021 wurde das Konzept mit „Werft 765 – Die Krefelder Rhine Side“ deutlich ausgebaut: Bespielt wurde nun das komplette Untere Werft. Neben dem Biergarten gab es Sportangebote, Märkte, Veranstaltungen der Bürgerschaft, Kleinkunst, Konzerte, ein Open-Air-Kino und bepflanzte Beete entlang des Ufers. Im Laufe der Jahre fanden auch größere Veranstaltungen mit lokalen Bands und den Niederrheinischen Sinfoniker am Ufer statt. Aufgrund der Bauarbeiten befindet sich die Rhine Side seit 2024 zwischen Rheintor und Rheinsteiger, hält jedoch auf der geringeren Fläche weiterhin viele Angebote vor.
Quelle: Stadt Krefeld

Bei der Pressekonferenz zum Projekt Rheinblick kamen (v.l.) Investor Lutz Remmert, Bau- und Planungsdezernent Marcus Beyer, Oberbürgermeister Frank Meyer, Investor Ulrich Schmitter, Claire Neidhardt vom Stadtmarketing und Uwe Rutkowski vom Uerdinger Kaufmannsbund zusammen. Im südlichen Teil hat bereits der Hochbau begonnen. Erstmals vorgestellt wurden auch optische Eindrücke vom nördlichen Bereich des Areals. | Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann