Straelen/ Geldern. Weinbau am Niederrhein geht das? Mit dem wichtigen Know-how ganz bestimmt. Gianluca Antoniazzi zeigt das mit seinen Weinreben in Geldern und Sonsbeck. Der studierte Oenologe ist mit seinem Weinbau und dem Weinhandel Viniazzi jetzt Mitglied im Netzwerk Agrobusiness Niederrhein geworden. Wer sich fragt was Oenologie ist, es handelt sich um die Lehre und Wissenschaft vom Wein, abgeleitet vom griechischen Weingott Oineus.
Nach seinem Studium sammelte Gianluca Antoniazzi Erfahrungen bei verschiedenen Winzern im Ahrtal, in Italien und Neuseeland, bevor er 2018 begann, seinen Traum vom eigenen Weinbau in Geldern zu verwirklichen. „Die Voraussetzungen für den Weinbau am Niederrhein sind erfüllt“, sagt Gianluca Antoniazzi. Die Böden sind gut, die Durchschnittstemperatur mit 11,5°C erfüllt die Anforderungen von über 10°C und die Gesamtsonneneinstrahlung ist teilweise höher als an der Mosel. „Klar, dass man an einer Hanglage mehr Sonne einfängt, aber das ist nicht der entscheidende Faktor für die Weinqualität“, fügt er hinzu. „In Deutschland liegen von den ca. 100.000 ha Anbaufläche ca. 80.000 ha im Flachland. In der Sonsbecker Schweiz haben wir sogar 10% Hanglage – mehr ist aber am Niederrhein nicht rauszuholen“, sagt er schmunzelnd.
Der Start ist nicht einfach. Zu Beginn benötigt man eine Pachtfläche fest für 20 Jahre. Das Antragsverfahren für die Pflanzgenehmigung ist langwierig und erst seit 2016 überhaupt außerhalb registrierter Weinanbaugebiete möglich. Der maximale Flächenzuwachs pro Bundesland ist festgelegt und so wurden von den 5,5 ha beantragter Fläche zunächst nur 2,4 ha genehmigt. Am Anfang braucht man einen langen Atem. Zunächst dauert es mit dem Antragsverfahren und nach der Pflanzung noch einmal etwa zwei Jahre bis die Ernte beginnen kann. Deshalb hat Gianluca Antoniazzi einen Weinhandel mit italienischen Weinen in Geldern eröffnet, die er von persönlich ausgewählten Weingütern bezieht. Die Eröffnung fiel 2020 genau in den Corona Lockdown. „Zunächst dachten wir, dass uns das das Genick brechen würde, dann hat sich aber herausgestellt, dass die Kunden gerne ihren Wein zu Hause trinken und mit immer nur einem Kunden im Laden, konnte der persönliche Verkauf weitergehen“, sagt Gianluca Antoniazzi.
Im Oktober 2022 wurden dann die ersten 9.000 Weinreben gepflanzt. Dabei wurde auf besonders pilzwiderstandsfähige Rebsorten gesetzt. Diese eher unbekannten Sorten können geschmacklich mit den traditionellen Sorten mithalten, benötigen aber weniger Pflanzenschutzmittel. In 2023, ein Jahr früher als erwartet, wurden die ersten Trauben geerntet und zu Wein verarbeitet.
In Deutschland kauft der Kunde den Wein insbesondere nach der Rebsorte. In Italien eher nach dem Anbaugebiet. Deshalb werden unbekannte Sorten vom Kunden in Deutschland kaum nachgefragt. Gianluca Antoniazzi setzt darauf, dass seine Kunden die Weine probieren und dann vom Geschmack überzeugt sind. Häufig ist die erste Reaktion: „Das kann doch nicht schmecken!“ Aber die Neugierde ist da und der Wein wird probiert. Der Geschmack überzeugt und regionale Produkte stehen bei vielen Kunden hoch im Kurs und dann kommt die Frage nach der Rebsorte erst an zweiter oder dritter Stelle. Und so funktioniert die Einführung resistenter, neuer Sorten nach Einschätzung von Gianluca Antoniazzi besser am Niederrhein, als in einem der bekannten deutschen Weinanbaugebiete. Seine Kunden müssen sich auch an dünnere Flaschen gewöhnen. Der Konsument verbindet schwere Flaschen tendenziell mit Qualität, weniger Glas pro Flasche spart jedoch CO2 ein und trägt zur Nachhaltigkeit bei.
Seine Weine werden nach biologischen Standards produziert, auch wenn er dafür kein Zertifikat hat. „Die Zertifizierung kostet eine Menge Geld, diese Ausgaben werden über den Preis nicht wieder hereingeholt“, fügt er hinzu. Bei ihm wird von der Rebe bis in die Flasche alles selber gemacht. Eine neu dazugekommene Abfüllanlage macht das möglich.
Den Weinbau in Deutschland sieht Gianluca Antoniazzi in einer Krise. „Viele Winzer, insbesondere die kleineren, geben auf“, erklärt er. „Die Preise sind gefallen, auch weil weniger Wein getrunken wird und was in Deutschland wegfällt, wird durch französische und italienische Weine ersetzt“.
2024 war ein schlechtes Weinjahr. Das lag vor allem an dem Dauerregen während der Blüte, wodurch sich deutlich weniger Trauben an den Reben entwickelten. Der Wein der dann zur Ernte kam war jedoch von guter Qualität. In seinem ersten Erntejahr war Gianluca Antoniazzi innerhalb von 10 Monaten ausverkauft. Dabei hat er den Wein bisher noch nicht an die Gastronomie verkauft. Nur Privatkunden und die auch noch in begrenzter Menge haben seinen Wein mit nach Hause nehmen dürfen.
Auf seinem Etikett sind die Begriffe Niederrhein und Geldern nicht zu finden. Genauso nennt er sich nicht „Winzer“ oder spricht von „Weingut“. Dies sind Traditionsbegriffe, die nur unter bestimmten Voraussetzungen genutzt werden dürfen. Um diese Begriffe langfristig verwenden zu dürfen, hat er den „Weinbauernverband Niederrhein“ gegründet. Mit drei Mitstreitern ist es jetzt das Ziel fünf Jahre Trauben zu ernten, um gute Weine daraus zu machen. Dann können sie im Jahr 2030 den Antrag auf ein offizielles Weinanbaugebiet „Niederrhein“ stellen. Zahlreiche Kriterien, wie eine klare geografische Abgrenzung, eine Dokumentation über die Qualität des Weines und die Überwachung der Produktion zur Einhaltung der Qualitätsstandards sind zu erfüllen. „Geldern oder Sonsbeck wird dann leider auch nicht auf der Flasche stehen dürfen“, erklärt Gianluca Antoniazzi.
So lange will Dr. Anke Schirocki, vom Netzwerk Agrobusiness Niederrhein nicht mehr warten. Mit Marcus Trappe, Projektkoordinator bei Agrobusiness Niederrhein für das Interreg-Projekt Agropole Innovates wollen sie prüfen, wie weit die deutsch-niederländische grenzüberschreitende Zusammenarbeit zum Thema Weinanbau vorangebracht werden kann. Für die Mitglieder des Netzwerks soll es schon in diesem Jahr einen Besuch bei Antoniazzi geben. „Wir wollen uns den Weinanbau direkt auf dem Feld anschauen“, sagt Anke Schirocki, „und ich freue mich drauf, unserem Netzwerk den gesamten Weg vom Feld bis ins Glas näher bringen zu lassen“, fügt sie hinzu.
Über das Projekt „Agropole Innovates“
Partner des Interreg-Projekts Agropole Innovates sind neben Agrobusiness Niederrhein e.V. auch Brightlands Campus Greenport Venlo, die Gemeinde Venray, die Hochschule Rhein-Waal sowie die Unternehmen ISIS IC, Yookr, Baum & Bonheur (früher Baumschule Lappen), Compas Agro, Brand Qualitätsfleisch und Piglets Treatment System. Bis August 2026 werden sie gemeinsam ein grenzüberschreitendes Netzwerk im Agrobusiness ausbauen, das Wissenstransfer, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Branche fördert. In vier Modellprojekten werden Innovationen zu konkreten Herausforderungen weiter-entwickelt.
Das Projekt wird im Rahmen des Interreg VI-Pro-gramms Deutschland-Nederland durchgeführt und mit 2,025 Mio. Euro durch die Europäische Union, das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW (MWIKE NRW), das Niedersächsische Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung (MB Niedersachsen), das niederländische Wirtschaftsministerium (EZK) sowie die Provinz Limburg mitfinanziert.
Über den Verein
Agrobusiness Niederrhein e.V. setzt sich für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovationskraft von Unternehmen des Agrobusiness am Niederrhein ein. Der Ende 2011 gegründete Verein mit Sitz in Straelen ist aus der seit 2007 bestehenden Netzwerk-Initiative Agrobusiness Niederrhein hervorgegangen. Die Mitglieder des Vereins stammen nicht nur aus den zentralen Wirtschaftszweigen Gartenbau und Landwirtschaft, sondern auch aus angelagerten Themenfeldern wie etwa Lebensmittelerzeugung, Logistik oder Forschung und Bildung.
Quelle: Agrobusiness Niederrhein e.V.

Gianluca Antoniazzi Weinhandel und Weinproduzent aus Geldern, Dr. Anke Schirocki und Marcus Trappe, beide von Netzwerk Agrobusiness Niederrhein, tauschen sich über Themen der Zusammenarbeit aus. | Foto: Agrobusiness Niederrhein e.V.