Kreis Viersen. In Deutschland ist der Begriff Kreislaufwirtschaft bislang vor allem mit Abfall und Recycling verbunden – also mit dem Ende der Wertschöpfungskette. Doch das kann – und muss – sich in den nächsten Jahren ändern. Im Sinne einer echten „Circular Economy“ rückt das gesamte Wirtschaftssystem in den Fokus. Darum ging es beim zweiten Forum Mittelstand in diesem Jahr im Bürgersaal des Schwalmtaler Rathauses. „Wir sind an ein System gewöhnt, das auf Verbrauch ausgerichtet ist. Das Prinzip der Circular Economy dreht dieses System um“, so formulierte es Bürgermeister und Gastgeber Andreas Gisbertz in seiner kurzen Begrüßung.
Anschließend übergab Moderator Prof. Dr. Thomas Merz das Wort an Prof. Dr. Simone Pauling von der Hochschule Rhein-Waal. Die Agrarwissenschaftlerin stellte gleich zu Beginn ihres Vortrags eine wesentliche Botschaft in den Raum: „Wir müssen schon bei der Produktion überlegen, wie wir Ressourcen bestmöglich nutzen können.“ Denn die globalen Ressourcen sind bekanntlich begrenzt, wie schon die „Malthus-Theorie“ Ende des 18. Jahrhunderts veranschaulichte. Zwar gab es seitdem zweifellos einen großen technischen Fortschritt. Doch die große Frage ist, laut Pauling, wie man diesen heute so nutzt, dass die Welt trotz weiter wachsender Bevölkerung niemals an einen dramatischen „Krisenpunkt“ gelangt. Für viele Zuhörer überraschend war ihr Hinweis, dass Deutschlands „Wasser- und Flächenabdruck“ durch Nutzung und Verbrauch mehrheitlich außerhalb des Landes entsteht – etwa durch den Import von Obst und Gemüse.
Der Referentin ging es aber vor allem um den Blick nach vorn. Dafür präsentierte sie ermutigende Beispiele, die schon heute zu bestaunen sind. Etwa eine italienische Weinproduktion, die im Rahmen einer „sustainable factory“ aus Nebenprodukten wie Trester und Kerne sowohl Edelprodukte wie Farbstoffe, Bioenergie wie Kraftstoff und Wärme sowie Dünger erzeugt. „Wenn es gut durchdacht und an die lokalen Gegebenheiten angepasst ist, kann so etwas funktionieren“, so Pauling. An ähnlichen Konzepten auch für hiesige Regionen wird intensiv geforscht. Ziel sei Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Die Referentin stellte zudem die Möglichkeit der Biokonversion vor: Gemeint ist die Umwandlung von organischen Verbindungen in energetisch oder stofflich nutzbare Produkte. Beispiele sind Speisepilze, die auf Zwiebelschalen gedeihen, oder Insektenlarven, die mit sogenannten Restströmen gefüttert werden und so wertvolles Protein liefern. „Die Biokonversion knüpft an die Praxis der klassischen Landwirtschaft an“, so Pauling. Früher wurden beispielsweise Schweine – als Fleischlieferanten – auch mit vermeintlichen Abfällen gefüttert.
Welch hohe Bedeutung der Themenkomplex Kreislaufwirtschaft hat, zeigte sich auch an der regen Publikumsdiskussion, an der sich auf dem Podium auch der Viersener Unternehmer Nikolai Mevissen von der CM Umwelt GmbH sowie Tierzucht- und Landwirtschaftsexperte Theo Lenzen von der WFG beteiligten. „Bei vielen Fragestellungen rund um die Circular Economy gibt es keine Schwarz-Weiß-Sicht“, betonte Mevissen. Dafür sei das Thema zu komplex. Andererseits dürfe man sich davon auch nicht abschrecken lassen, sondern „einfach machen“. Alle Anwesenden waren sich einig, dass dafür ein breites gesellschaftliches Umdenken erforderlich ist. Ein Teilnehmer fand dafür ein stark vereinfachendes, aber schönes Bild: „Wir müssen dahin kommen, dass krumme Gurken nicht mehr im Supermarkt liegenbleiben.“
Quelle: WFG Kreis Viersen

Prof. Dr. Simone Pauling (Hochschule Rhein-Waal) stellte das Potenzial der Kreislaufwirtschaft vor. Neben ihr (v.l.): Moderator Prof. Dr. Thomas Merz, Bürgermeister Andreas Gisbertz, Theo Lenzen (WFG), Nikolai Mevissen (CM Umwelt GmbH) und WFG-Geschäftsführer Dr. Thomas Jablonski. | Foto: WFG Kreis Viersen