Mönchengladbach. Wie lassen sich Lebensmittel von Anfang an nachhaltiger produzieren? Wie können Anbaubetriebe dabei Energie und Ressourcen sparen? Und bleiben Qualität und Gesundheitswert von Obst und Gemüse dabei erhalten oder können sie sogar gezielt verbessert werden? Die Hochschule Niederrhein (HSNR) tüftelt an der Antwort – und erschafft dazu digitale Zwillinge von echten Pflanzen.
Digitalisierung wird vor allem im Agrar- und Lebensmittelsektor in Zeiten steigender Energiekosten immer wichtiger. Um diesen Wandel in der Grenzregion Deutschland-Niederlande voranzubringen, geht mit neun Partnern das Förderprojekt “Sustainable Production of Healthy Food (SPoHF)” an den Start. Zum Forscherteam gehören auf Seiten der HSNR Forscher:innen des Instituts GEMIT und des Fachbereichs Oecotrophologie.
Das Verbundprojekt kombiniert Künstliche Intelligenz, Sensortechnik und Laboranalyse, um digitale Modelle von Pflanzen abzubilden. Dafür gibt es im Rahmen des Interreg VI A-Programms Deutschland-Nederland 2,36 Millionen Euro Fördergeld. Die HSNR als Projektleiterin erhält anteilig 741.000 Euro.
Was passiert konkret? SPoHF konzentriert sich auf den Obst- und Gemüseanbau sowohl im Freiland als auch im Gewächshaus. Die Projektpartner nehmen die direkten Umgebungsfaktoren von Tomaten und Blaubeeren in den Blick: Wie müssen Beleuchtung, Temperatur, Bodenqualität, Bewässerung und natürlicher Pflanzenschutz angepasst werden, um das Wachstum und die Qualität von Pflanze und Frucht bei weniger Energieverbrauch zu optimieren?
Dafür entwickeln und testen die Projektpartner für jeden Umgebungsfaktor eigene smarte Soft- und Hardwarelösungen. Zusätzliche Sensorik in direkter Umgebung der Pflanzen soll die Luftfeuchtigkeit und Wärmetemperatur verbessern. Zudem soll ein cleveres Beleuchtungssystem je nach Wetter die Lichtintensität im Gewächshaus anpassen. Auch die genauere Nutzung von Wetterdaten, eine angepasste Schädlingsbekämpfung und eine Überwachung der Bodenqualität spielen in die Forschung mit rein. Dadurch wird mit weniger Energieaufwand ein optimales Pflanzenwachstum erzielt.
Begleitend zu diesen Prozessänderungen wird analytisch im Labor und an den Pflanzen im Feld untersucht, ob und wie sich dadurch qualitäts- und gesundheitsrelevante Inhaltsstoffgehalte in den Früchten verändern.
Das Forscherteam des Hochschul-Instituts für Geschäftsprozessmanagement und IT (GEMIT) erstellt auf Basis der Prozess- und Produktdaten virtuelle Pflanzen-Zwillinge. Diese sollen die Überwachung des Zustandes der echten, physischen Pflanzen mithilfe von Künstlicher Intelligenz erleichtern. Projektleiter Professor Dr. André Schekelmann und die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen Rebecca Ries und Maximilian Hummel simulieren dazu die Auswirkungen der veränderten Umgebungsfaktoren. Viel schneller als in Echtzeit lassen sich somit ihr Einfluss auf die Pflanze ablesen und passende Maßnahmen vorschlagen.
Zur Entwicklung von kontinuierlichen Prozessüberwachungsmethoden erprobt der Fachbereich Oecotrophologie dabei auch den Einsatz innovativer Methoden, mit denen sich Pflanzen und Früchte direkt vor Ort zerstörungsfrei analysieren lassen.
„SPoHF berücksichtigt somit ökonomische, ökologische und gesundheitliche Aspekte: Durch effektiveren Ressourceneinsatz sollen Anbaubetriebe wirtschaftlicher arbeiten können. Gleichzeitig soll durch geringeren Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden zur Schädlingsbekämpfung die Umwelt geschont werden. Schließlich wird durch qualitativ hochwertige Früchte ein Beitrag für eine gesündere Ernährung geleistet“, sagt Projektleiter Dr. André Schekelmann, Professor für Wirtschaftsinformatik.
Das Projekt SPoHF wird im Rahmen des Interreg VI A-Programms Deutschland-Nederland durchgeführt und mit 2,36 Millionen Euro durch die Europäische Union, das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE) NRW, das niederländische Wirtschaftsministerium (EZK) sowie die Provinz Limburg mitfinanziert.
Quelle: Hochschule Niederrhein
Prof. Dr. André Schekelmann und der wissenschaftliche Mitarbeiter Maximilian Hummel vom GEMIT-Institut der Hochschule Niederrhein entwickeln digitale Zwillinge. | Foto: Hochschule Niederrhein