Mittlerer Niederrhein. Angesichts der Wirtschaftskrise und des beginnenden Bundestagswahlkampfes in Deutschland appelliert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein an die Bundespolitik, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen konsequent in den Fokus des Wahlkampfes und des Regierungshandelns nach der Bundestagswahl zu rücken. Die Vollversammlung der IHK hat dazu jetzt in ihrer jüngsten Sitzung ein detailliertes Positionspapier verabschiedet. „Hohe Energiekosten, ein gravierender Fachkräftemangel, ein enormer Investitionsstau und eine lähmende Bürokratie setzen unseren Unternehmen massiv zu“, erklärte Elmar te Neues, Präsident der IHK Mittlerer Niederrhein. „Die Ampelregierung hat es versäumt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Im Gegenteil: Sie hat sich in den vergangenen Jahren verschlechtert.“
Die Lage sei so ernst, dass immer mehr Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Geschäftsrisiko bewerteten. „Das Vertrauen in die Politik wird weiter schwinden, wenn die Herausforderungen der Wirtschaft ungelöst bleiben“, ergänzte Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein. Die IHK fordert von der neuen Bundesregierung eine Legislaturperiode, in der alles darangesetzt wird, die Unternehmen zu stärken. Aus Sicht der IHK kann nur eine starke und wachsende Wirtschaft dafür sorgen, dass der Staat die notwendigen finanziellen Mittel erhält, um die Herausforderungen der Gesellschaft zu bewältigen. „Unsere Unternehmen und ihre Beschäftigten sind Weltklasse, sie dürfen nur nicht ausgebremst werden“, so te Neues. Für die IHK Mittlerer Niederrhein ist der Handlungsdruck in fünf Themengebieten besonders groß: Bürokratieabbau, Energiepolitik, Steuerpolitik, Ertüchtigung der Infrastruktur und Linderung des Fachkräftemangels.
Der Erfüllungsaufwand der Bürokratie nimmt immer weiter zu So sind die Erfüllungskosten der Bürokratie seit 2011 in Deutschland um 27 Milliarden Euro gestiegen. Die Vollversammlung fordert, dass regulatorische Vorgaben regelmäßig evaluiert und doppelte Informations- sowie Berichtspflichten konsequent abgebaut werden. Um Bürokratie bereits im Vorfeld zu vermeiden, sollten Praxis-, Digital- und KMU-Checks frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess integriert werden. „Die Auswirkungen neuer Regelungen für die Betriebe müssen realistischer eingeschätzt werden. Umfassende Folgenabschätzungen bei allen wirtschaftsrelevanten Gesetzen sind unerlässlich“, so te Neues. Der Großteil der wirtschaftsrelevanten Gesetze entsteht mittlerweile in Brüssel. „Die Bunderegierung muss sich daher auf europäischer Ebene für wirtschaftlich vernünftige Regeln mit Augenmaß sowie für einen Abbau der Bürokratielast einsetzen“, ergänzte Steinmetz.
Die vergangene IHK-Konjunkturumfrage hat gezeigt, dass 43 Prozent der Industriebetriebe in den Energiepreisen ein wesentliches Risiko für die eigene Geschäftsentwicklung sehen. Das ist deutlich mehr als in den sechs Jahren vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Durchschnitt. „Insbesondere für die Unternehmen der energieintensiven Industrie, die am Mittleren Niederrhein von überdurchschnittlicher Bedeutung sind, lagen die Kosten je Kilowattstunde zuletzt immer noch 80 Prozent über dem Vorkrisenniveau“, erläuterte te Neues. Für eine dauerhafte Senkung der Strompreise sollte aus Sicht der IHK-Vollversammlung primär das Energieangebot erhöht werden. Kraftwerkskapazitäten sollten nur dann abgeschaltet werden, wenn eine wetterunabhängige Leistung gesichert zur Verfügung steht. „Bei der aktuellen Kraftwerksstrategie muss zügig nachgebessert und der Ausbau erneuerbarer Energien sowie Speicherkapazitäten weiter forciert werden“, appellierte Steinmetz.
In puncto Staatsausgaben fordert die IHK, dass Investitionen Priorität haben sollten. Eine zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik erfordert nach Auffassung der IHK neben stabilen Staatsfinanzen eine nachhaltige Wachstumsstrategie, die vor allem Investitionen in Infrastrukturen, Bildung und Forschung induziert. „Wichtig ist, dass die Umsetzung von öffentlichen Investitionsprojekten auf allen staatlichen Ebenen wesentlich schneller und mit weniger Bürokratie erfolgt. Dazu gehören bei der Errichtung von Ersatzbauwerken – wie bei den Rheinbrücken – auch unbedingt schlankere Plan- und Genehmigungsverfahren“, erklärte Steinmetz.
Trotz der tristen konjunkturellen Lage meldet die Hälfte der Betriebe am Mittleren Niederrhein, dass der Fachkräftemangel ein wesentliches Risiko für ihre kurzfristige Geschäftsentwicklung ist. Im vergangenen Jahrzehnt lag der durchschnittliche Anteil dieses Werts bei lediglich 28 Prozent und das trotz Phasen der Hochkonjunktur. Infolge des demografischen Wandels verlassen in den kommenden Jahren deutlich mehr ältere Beschäftigte den Arbeitsmarkt als junge hinzukommen. Daher fordert die IHK-Vollversammlung eine Stärkung der Dualen Berufsausbildung. „Außerdem brauchen wir mehr Bildungsangebote, die das Interesse für MINT-Berufe, ökonomische Grundlagen und Unternehmertum stärken“, forderte te Neues.
Auch bei der Steuerbelastung sieht die IHK-Vollversammlung klare internationale Wettbewerbsnachteile. Die Steuerbelastung der Unternehmen liegt aktuell in Deutschland bei mehr als 30 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt bei 21,1, der OECD-Durchschnitt bei 23,6 Prozent. „Wir brauchen eine Unternehmenssteuerreform. Die Belastung sollte in Deutschland deutlich auf eine Zielgröße von etwa 25 Prozent reduziert werden“, sagte Steinmetz.
Ein wirtschaftlicher Aufschwung werde nicht über Nacht gelingen, so der Hauptgeschäftsführer. „Aber mit klaren, mutigen Entscheidungen und einer engen Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft können wir die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum schaffen.“ In ihrem Positionspapier appelliert die Vollversammlung der IHK Mittlerer Niederrhein eindringlich, die Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu verbessern. „Die Zeit zu handeln ist jetzt“, betonte te Neues abschließend.
Quelle: IHK Mittlerer Niederrhein
Foto: IHK Mittlerer Niederrhein